Zukunftsfreude: Mit dem Fan-Prinzip den Wandel gestalten!

Das Programm war hoch-spannend: 14 hochkarätige Speaker und Referenten wollten am 14. Mai 2020 bei der Fan-Prinzip-Konferenz im Atrium-Hotel sprechen und wertvolle Impulse für die rund 300 Gäste liefern. Aufgrund der Corona-Einschränkungen musste die Konferenz abgesagt werden. Leif Chr. Steinbrinker, Geschäftsführender Gesellschafter von 2HMforum., hatte sich schon sehr auf seinen Eröffnungsvortrag gefreut. Im Interview mit Moderatorin Daniela Bublitz sprach er nun über Zukunftsfreude, das Fan-Prinzip, die Corona-Krise und wie Kunden zu Fans werden.

Frage: Herr Steinbrinker, stellen Sie sich vor: Sie stehen jetzt auf der großen Bühne im Atrium-Hotel und Ihr Publikum blickt Sie erwartungsvoll an. Was hätten Sie in Ihrem Vortrag gesagt?

Leif Steinbrinker: Vorab möchte ich sagen, wie schade ich es finde, die vielen tollen, interessanten und spannenden Gäste, die sich bereits für den heutigen Tag zur Fan-Prinzip Konferenz angemeldet hatten, nicht persönlich zu treffen. Ja, Zukunftsfreude und das Gestalten des Wandels wäre mein Thema gewesen. In diesem Zusammenhang dürfen wir nämlich nicht vergessen, dass wir auch vor dem Covid-19 und dem Lock-down in zahlreichen Ländern mit allen seinen wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und jeden einzelnen, vor großen Veränderungen standen und noch stehen. Die Welt ist im Wandel und Deutschland als starke Wirtschaftsnation besonders. Die zunehmende Digitalisierung, die Transformation der Automobilindustrie, an der allein in Deutschland direkt oder indirekt knapp 1 Million Arbeitsplätze hängen, der Klimawandel – das sind alles Faktoren, die letzten Endes sehr direkt Einfluss nehmen auf Märkte, Unternehmen und Käufer. Ob Unternehmen stark oder geschwächt aus diesen massiven Veränderungsprozessen herausgehen, liegt auch daran, wie exzellent, belastbar, zukunftsweisend die Beziehungsqualität zwischen Unternehmen und Kunden ist. Das Fan-Prinzip ist eine Lösung, die Beziehungsqualität positiv zu gestalten.

Frage: Was ist das Fan-Prinzip?

Leif Steinbrinker: Das Fan-Prinzip ist ein ganzheitliches Analyse- und Steuerungssystem zum Managen von Kundenbeziehungen. Der Ansatz zeigt die Bedeutung der Emotionale Bindung für die Stabilität einer Kundenbeziehung auf. Wir, als 2HMforum., sind in der Lage, die emotionale Bindung von Kunden an Unternehmen messbar zu machen, und wir wissen über Projekte aus den vergangenen 15 Jahren sehr verlässlich, wie emotionale Bindung wirkungsvoll gesteigert werden kann.

 

Frage: Warum brauchen Unternehmen ein neuartiges Management-System zur Steuerung von Kundenbeziehungen? Sind die Unternehmen mit der Ausrichtung am Zufriedenheitsmanagement nicht sehr erfolgreich?

Leif Steinbrinker: Ich weiß nicht, ob Unternehmen es „brauchen“, aber das Fan-Prinzip macht Unternehmen definitiv erfolgreicher und einem modernen Management steht auch ein modernes und ganzheitliches Steuerungsinstrument gut zu Gesicht.

Es mag auch andere Instrumente geben, aber das Zufriedenheitsmanagement allein ist es definitiv nicht mehr. Wenn ich mir die Zufriedenheitsstudien von Unternehmen ansehe, dann kann man zweifelsohne sagen, dass eine Vielzahl dieser Unternehmen Hervorragendes in Bezug auf die Quoten hochzufriedener Kunden leistet. Zufriedene Kunden sollen loyale und damit besonders wertvolle Kunden sein – so besagt es die einschlägige Management-Literatur aus den 90er Jahren, doch die Praxis zeigt, dass auch hochzufriedene Kunden heute keineswegs loyal sein müssen. Nahezu jeder Manager, mit dem ich über das Thema spreche, bestätigt mir das Phänomen. Selbst hochzufriedene Kunden sind heute weniger gebunden denn je. Zufriedenheit (als alleinige Steuerungsgröße) und Zufriedenheitsmanagement (als Steuerungssystem) sind heute nicht mehr die richtigen Leitplanken für erfolgreiches Beziehungsmanagement.

 

Frage: Sie warnen also vor zufriedenen Kunden?

Leif Steinbrinker: Nein, das tue ich nicht. Ich möchte sogar betonen, dass zufriedene Kunden wichtig für ein Unternehmen sind. Ich warne aber ausdrücklich vor dem Effekt, den der Tunnelblick auf Zufriedenheit als alleinige Steuerungsgröße hat. Für viele Kunden gleichen sich die Produktangebote wie ein Ei dem anderen. Sie sind nicht in der Lage, die feinen Nuancen zwischen Produktangeboten zu erkennen, oder sehen keinen Mehrwert für sich darin. Abwanderung zum Wettbewerb beantworten Unternehmen dann reflexartig mit einem „noch mehr an Leistung“. Wir nennen das „Das Mehr-ist-Mehr“-Mantra. Man gibt dem Kunden immer mehr Leistung (die er eh nicht mehr differenziert bewertet) in der Hoffnung, dass er sich dann loyal verhält. Den einzigen Effekt, den Unternehmen, die in „Mehr-ist-Mehr“ denken, sehen, ist ein abnehmender ROI. Zufriedenheit hingegen gepaart mit Emotionaler Bindung ist ein kluger Ansatz.

 

Frage: Was meinen Sie mit Emotionaler Bindung?

Leif Steinbrinker: Emotionale Bindung ist nicht mit positiven Gefühlen gegenüber einem Unternehmen zu verwechseln. Ich rede von Emotionen im Sinne der Hirnforschung. Lassen Sie mich ein wenig ausholen. 80% unserer Entscheidungen laufen unterbewusst ab und das hat einen guten Grund.

Unser Gehirn beträgt 2% der Körpermasse, verbraucht aber 20% unseres Energiehaushaltes und damit doppelt so viel wie das Herz. Das Gehirn hat aber einen strategischen Nachteil, es kann für seine Denkprozesse keine Energie auf Reserve speichern. Unser Gehirn arbeitet sozusagen „energieeffizient“ oder anders gesagt: es muss denkfaul arbeiten.
Um dennoch die „passenden“ Entscheidungen zu treffen, haben wir in unserem Gehirn, genauer gesagt im Limbischen System, eine Art Landkarte der persönlichen Entscheidungsmotive. Dieser Motivraum ist dafür verantwortlich, welche Motive als relevant durchgelassen werden und welche gefiltert werden – so werden Entscheidungsprozesse verkürzt.

Unternehmen können sich diesen Umstand zunutze machen, indem sie die zentralen Kundenmotive kennen und diese bedienen. So entsteht eine Identifikation mit dem Unternehmen, die Grundlage für emotionale Bindung. Die Herausforderung war nur, die Emotionale Bindung messbar zu machen.

 

Frage: Und die Lösung dafür haben Sie bei den Fans gefunden?

Leif Steinbrinker: Ja, bei den Fans haben wir die Lösung gefunden. Die Fan-Forschung ist eine spannende Disziplin. Fans haben ja auch eine Beziehungsqualität zu ihrem Idol, zu ihrem Verein, welche nicht alleinig auf Leistung basiert.

 

Frage: Was genau sind die Fan-Eigenschaften? Und kann man die so ohne weiteres auf Unternehmen und ihre Kunden oder Mitarbeiter übertragen?

Leif Steinbrinker: Nicht jede Fan-Eigenschaft lässt sich ohne weiteres auf Unternehmen und Ihre Kunden übertragen. Mit unserem Partner, der Deutschen Gesellschaft für Qualität, haben wir untersucht, welche Fan-Eigenschaften auf Unternehmen übertragbar sind und geeignet sind, die emotionale Bindung von Kunden messbar zu machen. In Summe sind es sechs Indikatoren:

  1. Zum einen geht es um die Dauerhaftigkeit, auf die die Kundenbeziehung ausgelegt ist. Ein Fan, wechselt ja auch nicht seinen Lieblingsverein, wenn dieser mal in die 2. Liga absteigt.
  2. Ein weiterer Indikator ist die Weiterempfehlungsabsicht. Ein Fan liebt es, die Insignien seines Stars zur Schau zu tragen und positiv von seinem Idol zu erzählen.
  3. Ein Fan hat eine hohe Kaufbereitschaft und eine höhere Zahlungsbereitschaft. Ich bin Bayern-München-Fan und Sie sollten das Kinderzimmer meines Sohnes sehen.
  4. Nummer vier ist der Alleinstellungsanspruch, den ein Unternehmen für einen Kunden hat. Ich kann Apple und Samsung nicht gleich gut finden. Ebenso kann ich nicht gleichermaßen Fan von Schalke und Dortmund sein.
  5. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Vertrauen ins Unternehmen. Gerade wenn es um den Wandel geht, muss ich das Vertrauen in mein Unternehmen haben, dass es die richtigen Entscheidungen trifft.
  6. Last, not least, der sechste Indikator ist das Commitment. Das Commitment zeigt auch, inwiefern ich bereit bin, mich auch mit den Prozessen des Unternehmens zu verzahnen, mich darauf einzulassen. So, wie beispielsweise die Fans von Star-Treck, die auf Conventions die Klingonen-Sprache weiterentwickeln. Man geht in dieser Welt auf und fühlt sich wohl.

Frage: Sind Fan-Kunden wirklich wertvoller?

Leif Steinbrinker: Wir sehen aus der Analyse von mehr als 200 Unternehmen im Jahr den enormen wirtschaftlichen Mehrwert von Fan-Kunden für ein Unternehmen. Fan-Kunden haben eine doppelt so hohe Weiterempfehlungsrate im Vergleich zu Sympathisanten. 67 % der Fans würden auch dann noch bei einem Unternehmen Kunde bleiben, wenn es dort mal Qualitätsprobleme gäbe. Nur 15 % der Fan-Kunden empfehlen jedoch das Unternehmen 10 Mal pro Jahr weiter, aber selbst Sympathisanten nur 5 Mal. 67 % der Fan-Kunden informieren sich regelmäßig über Angebote und Leistungen von Unternehmen, aber nur 28 % der Emotionalen Gefangenen. Das sind nur einzelne Beispiel, wie wertvoll Fan-Kunden sind.

Frage: Wie macht man nun aus hochzufriedenen Kunden Fans?

Leif Steinbrinker: Drei Themen sind hier wichtig. Punkt eins heißt Fokussierung/Orchestrierung. Durch die Fokussierung der zentralen Kundenbedürfnisse positioniere ich meine Marke richtig. Durch die Orchestrierung der zentralen Bedürfnisse an den jeweils relevanten Touchpoints mache ich die Erfüllung der zentralen Kundenbedürfnisse immer und immer wieder erlebbar.

Punkt zwei heißt „Exzellente Kontakte“: Ein Kunde, der die Kontakte als exzellent wahrnimmt, ist mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit ein Fan-Kunde als einer, der den Kontaktpunkt nur mit „gut“ bewertet. Gut sein reicht nicht aus, gleich ob es sich um analoge oder digitale Kontakte handelt. Nur die Note „1“ zählt, will ich Fan-Kunden haben.

Punkt drei – der Herzblutfaktor: Hier kommt die Mensch-Beziehung ins Spiel. Eine hohe Kundenorientierung bei den Mitarbeitern und der Bereitschaft die zentralen Kundenbedürfnisse zu bedienen, sind ein echter Booster für die Beziehungsqualität.

 

Frage: Woraus entsteht die Zukunftsfreude des Fan-Prinzips?

Leif Steinbrinker: Egal, über welchen Trend der vergangenen Jahre wir reden. Ich nenne beispielhaft Social Media, Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Generation Y, Leadmanagement, die Liste ließe sich beliebig verlängern… Immer wieder haben sich jene Unternehmen besonders leicht mit den Transformationsprozessen getan und waren überdurchschnittlich erfolgreich, die die Grundmechanismen des Fan-Prinzips verstanden und umgesetzt haben.

Wer beim Denken und Steuern auf die zentralen Bedürfnisse des Kunden aufsetzt und begriffen hat, dass es im Kern darauf ankommt,

  • diese zentralen Bedürfnisse für die Kunden an jedem Kontaktpunkt immer wieder erlebbar zu machen,
  • wer verstanden hat, dass Kundenkontakte exzellent sein müssen,
  • wer verstanden hat, dass es um Beziehungen zwischen Menschen geht,

für den verlieren Evolutionen und Revolutionen jeden Schrecken und er wird auch die aktuelle Krise erfolgreich überstehen.